Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Cornelia Franz: Wildesland

Lesetipp von Annette Quest - 03.02.2023

Jugendbuch ab 10 Jahren, Gerstenberg, 15,00 €

Schon wieder gibt es Streit. Diesmal, weil Matthis mit einer Steinschleuder auf die Radkappe eines Autos schießen wollte. Sein Vater stoppt das Auto und möchte, dass er den restlichen Weg zur Ferienwohnung zu Fuß geht. Matthis ist wütend, er schreit und flucht, will seine Familie nie mehr wiedersehen, selbst seinen kleinen Bruder Benni nicht.
Doch dann kommt das Auto von der Straße ab und rutscht den Abhang herunter. Natürlich wählt Matthis die Notrufnummer. Aber gleichzeitig trifft er eine Entscheidung: Da er seiner Familie offensichtlich nichts als Unglück bringt, will er nie mehr zu ihr zurückkehren.

Damit beginnt für ihn und seine Hündin Tara ein spannendes Survival-Abenteuer mitten im 'Vildtland' in Norwegen. Und das ist so realistisch und lebendig beschrieben, dass man den Eindruck hat, man wäre mit dabei. Wie er sich auf den Wald und seine Geräusche einlässt, Beeren und Pilze sammelt, lernt, Fische zu fangen und mit einer Plastikflasche Feuer zu machen. Und wie er sich notgedrungen mit sich selbst auseinandersetzt.

Vielleicht wäre die Geschichte allerdings ganz anders ausgegangen, wäre er nicht der rätselhaften Jule begegnet ...

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Etel Adnan: Die Stille verschieben

Lesetipp von Annette Quest - 22.01.2023

Aus dem Englischen von Klaudia Ruschkowski
Erzählungen, Edition Nautilus, 22,00 €

Gerade haben wir in unserem Literaturkreis 'IndieBooks', in dem wir uns über Bücher kleiner unabhängiger Verlage austauschen, 'Die Stille verschieben' von Etel Adnan entdeckt. 'Shifting the Silence' ist der Originaltitel, und es ist das letzte Buch der am 14. November 2021 verstorbenen Autorin und Malerin.

Und eben dies, 'shifting the silence', tut Adnan in ihren berührenden poetischen Textfragmenten, die manchmal auf mich so konkret und persönlich wirken wie Tagebucheinträge, manchmal aber auch wie philosophische Gedichte. Etel Adnan hält inne, spürt in sich hinein und bewegt das, was sie dort findet. Sie reflektiert ihr Leben, ihr Altern und ihr Wissen um den nahen Tod. Auch die Welt mit ihrem technischen Fortschritt, ihren Kriegen, dem Klimawandel findet Einlass in ihre Gedanken. Dabei bleibt die Atmosphäre selten traurig, immer wieder öffnet Adnan das Fenster zum weiten Ozean, zum fernen Berg Tamalpais, zum geheimnisvollen Nachthimmel, zu einer tröstlichen göttlichen Ewigkeit. Oder aber die Autorin kehrt plötzlich aus ihren abstrakten Gedanken zurück ins Hier und Jetzt und verkündet: „Ein Stück Brot, etwas Käse, in aller Ruhe, ist es das, was uns zum Göttlichen führt? Warum nicht?!"

Für mich ist dieses Buch eine Art Meditation, die ich sowohl als Gedankenstrom auf mich wirken lassen oder aber sie in einzelnen Auszügen lesen kann. Denn es ist wie ein immerwährendes Hin- und Herwälzen, ein Umschichten und Verschieben, das rauscht wie das Meer.

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Markus Bennemann: Böse Bäume

Lesetipp von Sönke Christiansen - 18.01.2023

Roman , Goldmann, 18,00 €

Markus Bennemann: Böse Bäume

Die Begeisterung für unseren Wald ist derzeit groß. Er muss erhalten und geschützt werden, nicht zuletzt um uns selber zu schützen.
Seit Peter Wohllebens Buch "Das geheime Leben der Bäume" wird der Blick auf den Wald zunehmend menschlich verklärt: Die Bäume sind nun eine große Familie mit Brüdern und Schwestern, die auf sich aufpassen und gegenseitig beschützen.

Nun also einmal das Gegenteil, sozusagen "Das gemeine Leben der Bäume".
Kenntnisreich und mit viel Spass an der Formulierung beschreibt Markus Bennemann, was Bäume auch noch drauf haben:

- Sie legen Feuer, um andere Baumarten zu vertreiben und selbst frische Nährstoffe zu erhalten
- Sie versprühen Gift, damit in ihrem Umkreis keine andere Pflanze wachsen kann
- Sie kappen die Wurzeln fremder Bäume
- Sie schicken Ameisen los, um fremde Bäume zu schädigen etc...

Die Natur ist sehr erfinderisch, wenn es darum geht, dass sich eine Art Vorteile gegenüber einer anderen Art verschaffen kann.
Mit menschlichen Kriterien wie Gut und Böse kommen wir da schnell an unsere Grenzen.
Ein informativer Lesespass für alle Baum- und Naturliebhaber.

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Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen

Lesetipp von Sybille Kramer - 14.01.2023

Roman, Klett-Cotta, 25,00 €

Wer Raphaela Edelbauers Romane noch nicht gelesen hat, sollte die österreichische Autorin, Jahrgang 1990, spätestens jetzt endlich kennenlernen. Schon 2018 war sie mit dem Manuskript zu "Das flüssige Land" Teilnehmerin beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und gewann den Publikumspreis, 2019 war der Roman dann auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. 2021 wurde sie für den Science-Fiction-Roman "DAVE" mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet. So weit, so wunderbar. Entsprechend groß war meine Freude, dass es wieder etwas Neues von Raphaela Edelbauer gibt: "Die Inkommensurablen".

Diesmal ist es eine Art historischer Roman geworden. Europa steht an der Schwelle zum 1. Weltkrieg. Es ist der Tag vor der Mobilmachung Österreichs: der 30. Juli 1914.
In ganz Wien brodelt es. Es wimmelt nur so von kriegsbegeisterten jungen Männern, die sich freiwillig melden wollen. In diese politisch aufgeheizte Stimmung hinein gerät Hans, 17 Jahre alt und nahezu mittellos. Zwar kommt er aus gutbürgerlichem Hause und konnte einige Zeit die Schule besuchen, doch der frühe Tod des Vaters zwang ihn, als Pferdeknecht in Tirol zu arbeiten. In Wien will er nun eine bekannte Psychoanalytikerin aufsuchen, weil er glaubt, eine besondere Gabe zu haben. Der drohende Kriegsbeginn interessiert ihn überhaupt nicht. In der Praxis lernt er Adam und Klara kennen, Anfang 20, ebenfalls in Therapie und gute Freunde. Die beiden nehmen Hans unter ihre Fittiche und ihnen ist, als würden sie sich schon ewig kennen.
Es gibt da also eine besondere Verbindung, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Der adlige Adam entstammt einer Familie, in der alle Männer eine Militärlaufbahn einschlagen müssen. Dabei will er nur Musik machen. Klara ist eine der ersten Studentinnen an der Universität Wien, die in Kürze im Fach Mathematik über die sogenannten Irrealzahlen promovieren wird.
Alle drei stehen unter einer spürbaren Anspannung. Es ist Hochsommer, es herrscht eine unglaubliche Hitze in Wien. Wir lassen uns als Leser einen ganzen Tag und eine ganze Nacht mit ihnen durch die Stadt treiben. Dabei zeigt uns die Autorin die verschiedenen Facetten der Bewohner, den Reichtum in den neuen Palais und die Armut im Wiener Untergrund.

Raphaela Edelbauer gelingt es mit ihrer ganz speziellen Sprache, diese fiebrige Atmosphäre greifbar zu machen. Ich war teilweise genau so außer Atem wie Hans, Adam und Klara. Das hat etwas Rauschhaftes und wir finden uns wieder zwischen Scharlatanen, Sufragetten,Traumdeutern und Heilsuchenden.

Für mich ist "Die Inkommensurablen" trotz des etwas sperrigen Titels wieder ein Fall für - mindestens - die Longlist des Deutschen Buchpreises 2023. Ein großartiges Leseerlebnis!

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Jenny Valentine: Ich bin Joy

Lesetipp von Susanne Sießegger - 11.01.2023

Aus dem Englischen von Anu Stohner, Illustrationen von Claire Lefevre
Kinderbuch ab 9 Jahren, Reihe Hanser bei dtv, 14,00 €

Eine herzerwärmend-lustige neue Kinderbuch-Reihe hat die britische Autorin Jenny Valentine erdacht: In „Ich bin Joy" erzählt die Ich-Erzählerin Joy Applebloom von einer großen Veränderung in ihrem Leben. Bisher waren Joy und ihre Familie (Joys Eltern und ihre große Schwester) als Weltenbummler unterwegs, nie länger als einige Monate an einem Ort. Doch nun soll die Familie sesshaft werden, denn der Großvater ist gesundheitlich angeschlagen und braucht Unterstützung. Also ziehen die Appleblooms ins verregnete England und in ein „normales" Leben.

Joys Name ist Programm: Sie ist ein fröhliches, positives und optimistisches Mädchen. Und sie freut sich darauf, endlich in eine normale Schule zu gehen. Doch dann ist die Eingewöhnung viel schwieriger als gedacht und sie mag eigentlich nur die alte Eiche auf dem Schulhof. Und als die dann auch noch gefällt werden soll, muss das natürlich verhindert werden. Hier sind Tatkraft und Optimismus gefragt - und die besitzt Joy Applebloom!

Dieser erste Teil einer Trilogie eignet sich für Leser:innen ab ca. 9 Jahren. Das Buch ist kein Wälzer, mit gut 200 Seiten ist es auf für etwas lesefaulere Kinder geeignet. Und zum Glück kommt im Februar schon Teil 2!

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Susan Kreller: Hannas Regen

Lesetipp von Ella Klees - 05.01.2023

Jugendbuch ab 13, Carlsen, 15,00 €

Josefin fühlt sich unsichtbar. In ihrer Klasse ist da niemand, mit dem sie befreundet ist, niemand achtet wirklich auf sie und sie hat nicht mal einen Spitznamen, obwohl ihr Name sich dafür so gut anbieten würde.
Bis Hanna in ihre Klasse kommt, Hanna, still und in sich gekehrt, die kaum auf ihren Namen reagiert, vom Regen unberührt scheint und immer ein Buch über gotische Kirchen mit sich herumträgt. Und obwohl das alles Josefin komisch vorkommt, entsteht zwischen den beiden mit der Zeit eine Freundschaft, die beiden etwas gibt, was ihnen bisher gefehlt hat. Bis Hanna eines Tages verschwindet und die Geheimnisse, die zwischen ihnen stehen, unüberwindbar scheinen.

Susan Kreller erzählt in diesem Jugendbuch ab 13 Jahren eine zarte und doch wortgewaltige Geschichte von Freundschaft, Zusammenhalt und Geheimnissen, von dem Gefühl, unsichtbar zu sein und dann doch von einer Person gesehen zu werden.

Josefin beobachtet sehr genau, was um sie herum passiert und Susan Kreller schafft es, alltägliche Situationen mit so viel Wortgewandtheit und außergewöhnlichen sprachlichen Bildern zu beschreiben, dass man sofort in die Geschichte hineingesogen wird und den Charakteren sehr nahekommen kann. Die skurrilen, aber sehr liebenswerten Figuren sind auch das, was dieses Buch so lebendig und fesselnd macht. Besonders ist es aber der poetische und kunstvolle Schreibstil, der mir in Erinnerung bleiben wird.

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Lauren Groff: Matrix
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Catherine Cusset: Die Definition von Glück
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Varsha Shah: Ajay und die Tintenhelden
von Annette Quest, 04.09.2022

Silke Schlichtmann: Reißaus mit Krabbenbrötchen
von Sigrid Lemke, 03.09.2022

Leona Stahlmann: Diese ganzen belanglosen Wunder
von Sybille Kramer, 23.08.2022

Femi Kayode: Lightseekers
von Andreas Mahr, 15.08.2022

Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht
von Annette Quest, 11.08.2022

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