Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Christian Schünemann: Bis die Sonne scheint

Lesetipp von Nicole Christiansen - 28.05.2025

Roman, Diogenes, 25,00 €

Marlene und Siegfried Hormann schuften wie viele andere Deutsche, die in der Nachkriegszeit geboren wurden, für ihren heiß ersehnten „Platz an der Sonne“: Ein Bungalow mit Swimmingpool, ein gutes Auskommen für sich und ihre vier Kinder.

Wir befinden uns im Jahr 1983 in der BRD. Kanzler Kohl regiert das Land, Petra Kelly zieht mit den Grünen erstmals in den Bundestag. Bei den Hormanns gibt es mittags Ravioli aus der Dose, und das Auto ist ein Statussymbol.

Der jüngste Sohn Daniel erzählt die drei Generationen umspannende Familiengeschichte aus seiner Perspektive. Seine Konfirmation steht bevor. Die Feier seiner älteren Geschwister wurde stets im großen Stil ausgerichtet und dabei keine Kosten und Mühen gescheut. Der Fünfzehnjährige ahnt, dass dieses Mal alles ganz anders laufen wird. Denn der Kauf seines Konfirmationsanzugs wird ständig aufgeschoben und ein demütigender Besuch bei der Bank bringt Gewissheit: Die Hormanns sind pleite! Das darf natürlich niemand wissen und darum wird der schöne Schein gewahrt, „bis die Sonne wieder scheint“.

Dem Autoren Christian Schünemann ist hier eine irre gute Geschichte gelungen, die durch den fließenden Wechsel der Zeitebenen das Leben der Eltern beziehungsweise Großeltern einbezieht. Nach dem Krieg schwiegen die Eltern von Marlene und Siegfried über das Erlebte und die Schuld, die sie auf sich geladen haben. Eine Generation später wiederholt sich das Bedürfnis danach, alles zu Verdrängen.

Ein kluges, facettenreiches Buch, das nachdenklich macht.

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Dacia Maraini: Ein halber Löffel Reis

Lesetipp von Eva Lorenzen - 23.05.2025

Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler
Roman, folio, 25,00 €

Die bekannte italienische Schriftstellerin Dacia Maraini erinnert an ihre Kindheit in Japan in den 1940er Jahren und die traumatische Zeit in einem Internierungslager.

Die Autorin war sieben Jahre alt, als ihre Eltern sich weigerten, das faschistische Regime in Italien anzuerkennen. Daraufhin wurde die ganze Familie als „feindliche Ausländer“ in einem japanischen Lager interniert. Die Wachen hatten eine sadistische Freude daran, die Insassen zu drangsalieren und hungerten sie Stück für Stück aus, sodass von der anfänglich diskussionsfreudigen Gemeinschaft bald nichts mehr übrig blieb. Die Welt bestand einzig aus Hunger, Erniedrigungen und der ständigen Angst um Leib und Leben.

Dacia Maraini beschreibt gleich am Anfang des Buches, wie schwer es ihr gefallen sei, alte Wunden aufzureißen und sich diesem Thema zu stellen, das ihr ganzes Leben geprägt hat. In Interviews betont sie, wie wichtig es ihr gerade in der heutigen Zeiten erscheine, diese Kriegserfahrungen eines Mädchens, einer direkten Zeugin, zu teilen.

Ein bewegendes, persönliches Buch über einen weitestgehend in Vergessenheit geratenen Teil der Geschichte. Über ein Leben im festen Glauben an die Kraft der Poesie. Ein Appell an die Menschlichkeit und gegen den Rassismus.

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Sophie Hunger: Walzer für Niemand

Lesetipp von Sybille Kramer - 22.05.2025

Roman, Kiepenheuer & Witsch, 22,00 €

Die wunderbare Schweizer Sängerin Sophie Hunger hat ihren ersten Roman geschrieben. Da stellt sich natürlich gleich die Frage, ob die Künstlerin, die ich zuletzt in der Elphi erlebt habe, auch auf diesem Gebiet so talentiert ist. Ich beantworte diese Frage mit "ja". Alle, die Frau Hungers poetisch-versponnenen, manchmal rätselhaften Songtexte lieben, werden begeistert sein. Oder nach der Lektüre auch ihre Musik entdecken wollen.

Im Roman geht es um die enge Freunschaft zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem besten und einzigen Freund Niemand. Seit Kindertagen sind die beiden unzertrennlich, vereint durch die Liebe zur Musik, sitzen unterm Tisch und hören immer wieder die gleichen LangspieIplatten. Ihre Eltern sind Militärattachés und deshalb ist die Kindheit geprägt von häufigen gemeinsamen Umzügen. Nach England, Deutschland und zurück in die Schweiz. Sie treten als Einheit auf, wenn sie sich immer wieder vor neuen Mitschülern behaupten müssen. Das macht die Außenseiter stark, aber bei der Ich-Erzählerin schleicht sich während der Pubertät allmählich ein Gefühl der Vereinzelung und Einsamkeit ein. Sie will vor Publikum singen, es drängt sie auf die Bühne und ihr Wunsch nach mehr Kontakt zur Außenwelt ist schmerzhaft. Zumal ihr klar ist, dass Niemand zurückbleiben wird bei dieser Entwicklung. Niemand wird immer weniger, verliert tatsächlich immer mehr an Gewicht und verschwindet allmählich aus ihrem Leben. Je mehr sie sich der Welt öffnet, desto verschlossener und seltsamer wird Niemand. Ihr Freund fängt an, Nachforschungen zu den Walserinnen zu betreiben, von deren Schweizer Volksgruppe sowohl die Erzählerin als auch die Autorin abstammen. Die kurzen Forschungsnotizen finden sich zwischen den Kapiteln und sind teilweise sehr skurril. Nach einem Konzertauftritt der Erzählerin in Paris kommt es dann zur Katastrophe.

In diesem Entwicklungsroman gibt immer wieder Verweise auf Hungers Songtexte. So ist der Romantitel auch Titel eines Liedes aus dem Jahr 2008. Wer jetzt Lust bekommen hat auf einen sehr poetischen Coming-of-Age-Roman und in die Musikwelt von Sophie Hunger eintauchen möchte, der ist hier genau richtig!

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Varsha Shah: Ajay und die Tintenhelden

Lesetipp von Annette Quest - 21.05.2025

Aus dem Englischen von Katharina Naumann
Kinderbuch ab 10 Jahren, Atrium, 15,00 €

Wir befinden uns in Indien, im Bahnhof von Mumbai, wo Ajay Zeitungen verkauft. Was er allerdings viel lieber tun würde, ist, selbst als Journalist für diese Zeitung zu schreiben. Dafür ist er natürlich viel zu jung. Aber auch die Tatsachen, dass er keine Eltern hat, arm und außerdem ein 'Unberührbarer' ist, machen es ihm nahezu unmöglich, jemals einen solchen Beruf zu ergreifen. Denn selbst wenn eine Diskriminierung aufgrund der Kaste in Indien schon lange gesetzlich verboten ist, besteht die Hierarchie in den Köpfen fort. Ajay jedoch ist ein sehr willensstarker und kluger Junge, der weiß, wann seine Chance gekommen ist. Als die Textilfabrik, in der seine Freundin arbeitet, im Monsunregen einstürzt, beginnt er zusammen mit seinen Freunden zu recherchieren und ist bald einem großen Skandal auf der Spur. Da versteht es sich ja wohl von selbst, eine eigene Zeitung zu gründen und die üblen Machenschaften ans Licht zu bringen!

Ein Kinderbuch, das sich mit der Problematik von sozialer Ungerechtigkeit und 'Fast Fashion' in Indien auseinandersetzt, hat mich sofort neugierig gemacht. Noch dazu, wo dieser brisante politische Aspekt in eine spannende Geschichte verpackt ist, bei der man immer wieder den Duft von karamelisierten Zwiebeln, mit Kreuzkümmel gewürzten Kartoffelwürfeln, Kokosnuss und natürlich Curry in der Nase hat! Und auch, wenn mir manches ein wenig glatt gebügelt erscheint, wirken andere Szenen und Wendungen dafür umso realistischer.

Interessant sind die Informationen der Autorin im Anhang, die den Lesenden zum Nachdenken anregen. Müssen wir Deutschen wirklich durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr kaufen und damit immer wieder die schlechten Arbeitsbedingungen und die Kinderarbeit in Ländern wie Indien untermauern?

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Maya C. Klinger: Wie ein Foto unser Leben rettete

Lesetipp von Nicole Christiansen - 20.05.2025

Aus dem Hebräischen von Gundula Schiffer, Illustrationen von Isabel Kreitz
Kinderbuch ab 7 Jahren, Insel, 15,00 €

Zu Beginn dieser wahren Geschichte stellt uns der fünfjährige Gavra Mandil seine Familie vor. Wie schon der Großvater ist auch sein Vater ein bedeutender Fotograf. Seine Eltern Mosche und Gavriella leben mit ihm und seiner kleinen Schwester Beba in Novi Sad.
Als sie alle die Großmutter Beschka in Belgrad besuchen, besetzen die Nazis Jugoslawien. Plötzlich befindet sich die Familie in großer Gefahr. Sie sind Juden und müssen sich verstecken. Auf ihrer Flucht durch Italien nach Albanien überwinden sie viele Gefahren und helfen sich und Anderen aus höchster Not. Die Familie Mandil wird den Krieg überleben. Sie treffen auf Menschen, die mutig sind und die Familie mit ganz viel Herzensgüte beschützen. Warum ein Foto ihnen das Leben rettet, wird hier aber nicht verraten.

Wunder, wunder, wundervoll sind neben dem Text und den Originalfotos der Familie auch die Illustrationen von Isabel Kreitz.

Diese Geschichte eignet sich hervorragend, um schon Grundschulkindern von der Rettung verfolgter jüdischer Menschen während des 2. Weltkrieg zu erzählen. Das Schicksal der Familie Mandil sensibilisiert für jede Form von Ausgrenzung und ermutigt die Leser:innen, sich für Menschen einzusetzen, die Hilfe brauchen.

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Neal Shusterman, Michelle Knowlden, Debra Young: Break to You

Lesetipp von Annette Quest - 19.05.2025

Übersetzt von Kristian Lutze, Pauline Kurbasik und Andreas Helweg
Jugendbuch ab 14 Jahren, Fischer Sauerländer, 19,90 €

Eine wunderschöne Liebesgeschichte unter nahezu unmöglichen Bedingungen!

Die 16-jährige Adriana, wegen Diebstahl in der Jugendhaftanstalt, verliert ihr kleines Tagebuch in der Bibliothek. Sie fürchtet schon, eines der anderen Mädchen könnte es gefunden und gelesen haben, als sie es endlich ganz hinten ins Bücherregal einsortiert findet. Mit einer Nachricht von einem Jungen namens Jon. Zuerst schreibt sie aus Wut zurück, dann aber entspinnt sich zwischen ihnen ein intensiver Briefwechsel. Beide stellen fest, dass sie einander sehr nah fühlen und sie über alles reden können, sogar über die inneren Abgründe, die sie hierher gebracht haben.

Kein Wunder, dass sie sich unbedingt treffen wollen, was natürlich verboten und bei den strengen Sicherheitsmaßnahmen ein Ding der Unmöglichkeit darstellt. Doch wenn es darum geht, das Gefängnissystem auszutrixen, scheinen alle Häftlinge zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenzurutschen. Aber – können Adriana und Jon wirklich jedem Einzelnen trauen?

Für alle ab 14, die in eine mitreißende Liebesgeschichte abtauchen wollen und die sich gleichzeitig viel Stoff zum Nachdenken wünschen. Denn die Autor:innen prangern darin die Ungerechtigkeit und Korruption im amerikanischen Jugendstrafrecht an. 

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Hrsg.: Wolfgang M. Schmitt, Ann-Kristin Tlusty: Selbst schuld!
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