Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Ozan Zakariya Keskinkiliç: Hundesohn

Lesetipp von Lena Meyer - 30.09.2025

Roman, Suhrkamp, 24,00 €

Ich weiß nicht, ob dieser Roman für alle etwas ist, aber ich bitte sehr viele, ihn einmal anzulesen.

Wir befinden uns in Berlin, wo Zeko es kaum erwarten kann, Hassan wiederzusehen. Hassan lebt in der Türkei, was aus Berliner Perspektive eine andere Welt ist und doch überhaupt nicht. Dort in der Türkei, genauer in Adana, lebte auch Zekos Großvater: „Dede war Friseur. Er schnitt alten Männern die Sorgen aus dem Bart und mir die Angst, die aus der Kopfhaut wuchs wie Trauerweiden. Dede, die Haare wachsen mir bis nach Adana."

Irgendetwas ist geschehen, als Zeko Hassan zuletzt gesehen hat, irgendwas ist zurückgeblieben, musste zurückgelassen werden, das ist überdeutlich. Sehnsucht baut sich auf genau wie Spannung, während wir an Zekos Seite durch Grindr-Profile surfen, ihn auf Dates sehen, mit ihm die Sprachen wechseln, seine beste Freundin treffen. „Mein Name ist Pari, sagt sie. Das bedeutet Fee auf Persisch." Mit ihm Zeilen von Kafka lesen. Und den Countdown runterrechnen. „In fünf Tagen werde ich Hassan wiedersehen." In vier. „Nach zwanzig Minuten kein einziger Match. Ich swipe nach links, ich swipe nach rechts. In drei Tage werden ich Hassan wiedersehen."
Mehr will ich gar nicht verraten, außer: Ich bin hingerissen.

So stelle ich mir ein Lieblingsgedicht ausgebreitet auf 220 Seiten vor. 

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Jacinta Nandi: Single Mom Supper Club

Lesetipp von Britta Hansen - 28.09.2025

Roman, Rowohlt, 24,00 €

Es könnte so idyllisch sein: Alleinerziehende Frauen laden sich gegenseitig zum Essen ein, unterstützen sich abends beim Babysitten und sind auch sonst füreinander da im rauen Berlin, wo sonst jeder nur für sich kämpft.

Nicht so in Jacinta Nandis Roman “Single Mom Supper Club", nominiert für den deutschen Buchpreis: Hier prallen verschiedene Welten aufeinander und es ist hohe erzählerische Kunst, wie die Autorin, diese Welten mit geistreicher Ironie und messerscharfer Beobachtung ausleuchtet. Da gibt es die beiden Single Moms Tamara und Kayla, die wie die Autorin um die vierzig und PoCs sind, aus England kommen, und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Sie sind befreundet mit Anke, einer ostdeutschen Spielverderberin, die deshalb die schreckliche Anke genannt wird. Die Frauen tun sich zusammen mit einer Gruppe jüngerer Momfluencerinnen, die ihr Geld mit Instagram Posts verdienen und Designertaschen mit unerschöpflichen Kokain-Vorräten tragen. Der Generationenclash ist vorprogrammiert. In bissig-humorvoll erzählten Episoden folgen wir den Frauen durch ihren Alltag, erfahren von aufbrechenden Lebenslügen, Armut, Rassismus und sexuellen Übergriffen. “Single Mom Supper Club" rüttelt an gesellschaftlichen Normen. Das ist Comedy auf höchstem Niveau, pointenreich, klug und sehr unterhaltsam. Auch wenn es Nandi nicht auf die Shortlist geschafft hat, verdient der Roman viele Leser*innen.

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Nelio Biedermann: Lázár

Lesetipp von Sönke Christiansen - 23.09.2025

Roman, Rowohlt Berlin, 24,00 €

Mit „Lázár“ legt der junge Schweizer Autor Nelio Biedermann einen beeindruckenden Familienroman vor, der zudem ein Panorama des 20. Jahrhunderts in Ungarn zeichnet. 

Im Mittelpunkt steht eine ungarische Adelsfamilie, deren Schicksal eng mit den politischen Umbrüchen ihrer Zeit verflochten ist: vom Zerfall der Donaumonarchie über die Jahre des Faschismus bis hin zu Enteignung, Flucht und Exil im kommunistischen Nachkriegsungarn.

Biedermann verknüpft seine eigene Familiengeschichte mit fiktiven Elementen  und verbindet persönliche Konflikte – Schuld, Verrat, Identitätssuche – mit den dramatischen Zäsuren der ungarischen Geschichte. Gerade dieser historische Hintergrund macht den Roman besonders eindringlich: Er zeigt, wie Kriege, Faschismus und Kommunismus nicht nur Staaten, sondern Lebensläufe und  ganze Familien zerstören.

Stilistisch überzeugt „Lázár“ durch Präzision und Verdichtung. Mit literarischen Anspielungen und atmosphärischen Bildern spannt Biedermann einen Bogen zwischen Intimität und geschichtlicher Wirklichkeit. Das Ergebnis ist ein packender, zugleich berührender Roman, der weit über eine Familiensaga hinausgeht – ein literarisches Echo auf die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts.

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Jina Khayyer: Im Herzen der Katze

Lesetipp von Sybille Kramer - 23.09.2025

Roman, Suhrkamp, 25,00 €

Mein Buchtipp für diesen Monat stammt von der Autorin, Journalistin, Dichterin und Malerin Jina Khayyer, die mit ihrem autofiktionalen Romandebüt "Im Herzen der Katze" auf der Longlist zum diesjährigen Buchpreis steht. Die Vielseitigkeit der in Deutschland geborenen Künstlerin iranischer Abstammung hat mich neugierig gemacht und ich bin nicht enttäuscht worden.

Die Geschichte beginnt am 16. September 2022, dem Todestag der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini. Die junge Frau war von der Sittenpolizei in Teheran so schwer verletzt worden, dass sie an den Folgen ihrer Kopfverletzung starb. Die Autorin ruft nachts ihre Mutter an, geschockt von der Gewalt gegen Frauen im Iran und auch geschockt, weil sie den gleichen Namen trägt. Und sie dachte immer, ihre Mutter hätte sich den Namen ausgedacht. Die Erzählerin reist nun in Gedanken zurück in der Zeit. Mit Anfang Zwanzig besucht sie das erste Mal das Land ihrer Familie und sieht dort endlich ihre wesentlich ältere Schwester Roya wieder, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter Nika in Teheran lebt. Auch wenn ihre Verwandschaft dort ganz modern und aufgeschlossen ist, so ist es ein Leben im Verborgenen. Die Sehnsucht nach dem Iran war größer als die Angst vor dem Regime.

Wir begeben uns mit Jina auf eine Entdeckungsreise ihrer unbekannten Heimat und sehen mit ihr die Schönheit des Landes, die Poesie der Sprache und die Großherzigkeit der Menschen. Verknüpft wird diese Reise immer wieder mit den Ereignissen des Jahres 2022. Ihre Nichte Nika ist mittlerweile eine junge Frau, die mit den vielen IranerInnen auf die Straße geht und ihrer Tante per Handy Fotos und Filme von den Demonstrationen schickt. Der Mut der Menschen im Iran wird so eindrücklich vermittelt, das es beim Lesen fast weh tut. Hoffentlich geht diese friedliche Revolution weiter.

Zan, Zendegi, Azadi! - Frau, Leben, Freiheit!

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Gaël Faye: Jacaranda

Lesetipp von Nicole Christiansen - 22.09.2025

aus dem Französischen von Andrea Alvermann und Brigitte Große
Roman, Piper, 24,00 €

In diesem Roman wird die Geschichte von Milan erzählt, dessen Mutter vor dem Völkermord in Ruanda nach Frankreich geflohen ist und dort Milans Vater, einen Franzosen, geheiratet hat. Milan wächst in Versailles auf und erlebt eine „fast“ normale Kindheit. Allerdings spricht Milans Mutter nie über ihre Heimat. Erst in seiner Jugend erfährt er, dass er auch in Ruanda Familie hat. Er beschließt, sich gegen den Willen der Mutter auf Spurensuche zu begeben. In Kigali angekommen, sucht er Zuflucht in einem mit Büchern vollgestopften Palast, der dem mysteriösen Sartre gehört. Gemeinsam mit ihm, seinem „Onkel“ Claude und der einfühlsamen Stella will er herausfinden, was mit seiner Familie geschehen ist. Viele überraschende Verwicklungen und Abenteuer stellen ihre Freundschaft auf die Probe.

Am Anfang und am Ende dieses atemberaubenden Romans von dem französisch-ruandischen Autor und Sänger Gaël Faye steht ein Baum: der Jacaranda. Das Bild dieses Baumes steht für die Familiengeschichte dreier Generationen. Vor dem Hintergrund der Geschichte Ruandas, wo 1994 durch den Genozid an den Tutsi mehr als 800.000 Menschen ihr Leben verloren haben, erzählt der Autor von einem Land, in dem Nachbarn, Freunde und Familien zu Opfern und Tätern wurden. Dennoch müssen sie und ihre Nachkommen nach den schlimmen Gräueltaten miteinander weiterleben. Der Roman liest sich wie eine Befreiung von einer schweren Last, die über Generationen weitergegeben wurde. Gaël Faye schreibt darüber in einer Sanftheit, die den poetischen Text so außergewöhnlich macht. Es ist ein berührendes Zeugnis der Versöhnung.

Der Autor zog aus Frankreich nach Kigali, wo er heute mit seiner Frau und seinen kleinen Kindern lebt. Sein Roman wurde bereits mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet u.a. dem Prix Renaudot.

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Tara Sullivan: The Bitter Side of Sweet

Lesetipp von Annette Quest - 20.09.2025

aus dem Englischen von Sandra Knuffinke und Jessika Komina
Kinderbuch ab 14 Jahren, Peter Hammer, 17,00 €

Der 15-jährige Amadou und sein 8-jähriger Bruder Seydou verlassen ihre Familie in Mali, um auf einer Kakaoplantage zu arbeiten. Wegen einer andauernden Dürre gibt es zu wenig zu essen. Sie wollen Geld verdienen und es am Ende der Saison ihrer Oma bringen. Doch dieser Plan geht nicht auf. Weder werden die Kinder für ihre Arbeit bezahlt noch lässt man sie wieder gehen. Sie sind zu Kinderzwangsarbeitern geworden, wie es laut einer Schätzung der UN 1,56 Millionen in Côte d'Ivoire und Ghana im Kakaoanbau gibt.

Eines Tages wird ein einzelnes Mädchen hergebracht, ganz offensichtlich gegen ihren Willen. Als Khadija die ganze Härte der Bosse erfährt und Seydou einen schlimmen Unfall hat, beschließen die drei zu fliehen.

Tara Sullivan erzählt eine Geschichte von moderner Kindersklaverei: erschütternd, berührend und spannend wie ein Krimi. Das Buch ist unter 'Die besten 7 Bücher für junge Leser' des Deutschlandfunk gewählt worden.

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Dacia Maraini: Ein halber Löffel Reis
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Varsha Shah: Ajay und die Tintenhelden
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Martin Suter: Wut und Liebe
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