Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Colm Tóibín: Long Island

Lesetipp von Susanne Sießegger - 25.06.2024

Aus dem Englisch von Ditte Bandini, Giovanni Bandini
Roman, Hanser, 26,00 €

Der irische Autor Colm Tóibín schreibt 14 Jahre nach dem Erscheinen des Romans „Brooklyn“ nun dessen Fortsetzung: Mit „Long Island“ kehrt er zu einer vertrauten Kulisse zurück. Im Mittelpunkt steht erneut Eilis, die in den 50er Jahren nach Amerika auswanderte, dort Tony (und dessen italienische Großfamilie) heiratete und doch an ihrer irischen Liebe Jim hängt. Zusammen mit Tony hat sie 2 Kinder im Teenageralter und führt eine vermeintlich gute Ehe. Eine Begegnung gleich zu Beginn erschüttert Eilis' Gewissheiten und sie ihre langjährige Beziehung in Frage. Eine Reise zurück in die irische Heimat soll Abstand und Raum zum Nachdenken schaffen.
Das Zusammenleben mit der inzwischen 80-jährigen Mutter ist nicht so harmonisch, wie Eilis gehofft hat und außerdem ist da ja noch Jim, die nicht gelebte Liebe von vor zwanzig Jahren...

Eine herrliche Fortsetzung, die ich verschlungen habe (es ist ja ein wenig, wie alte Bekannte wieder treffen), die von Tóibíns Einfühlungsvermögen und wunderbarer Figurenzeichnung lebt.

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Nana Kwame Adjei-Brenyah: Chain-Gang All-Stars

Lesetipp von Andreas Mahr - 20.06.2024

Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Schmidt
Roman, Hoffmann und Campe, 25,00 €

Nana Kwame Adjei-Brenyah hat einen dystopischen Roman geschrieben, der in nicht all zu ferner Zukunft in den USA spielt. Wir begleiten unter anderem Loretta Thurwar und Hurricane Staxx. Beide Frauen gehören zu den großen Stars des Gefängnis-TV-Sports Chain-Gang All-Stars, einem Fernsehformat, in dem verurteilte Sträflinge in Zweikämpfen gegeneinander antreten, um am Ende der „Saison“ eventuell als Überlebender die Freiheit zu erlangen.

Adjei-Brenyah entwirft ein düsteres Bild von der Entwicklung des amerikanischen Gefängnissystems. Die Privatisierung der Haftanstalten schreitet immer weiter fort. Um das System noch profitabler für die Betreibergesellschaften zu machen, sind diese modernen Gladiatorenkämpfe ins Leben gerufen worden, auf Kosten der Häftlinge. Loretta und Hurricane klammern sich aneinander und an die Hoffnung, endlich wieder in Freiheit zu gelangen und im besten Fall den erworbenen Ruhm auskosten zu können. Doch das System lässt Gewinner nicht wirklich zu.

Dieser Roman hat einen ganz eigenen Sound, der mal hart und brutal ist, um dann auch poetisch und sanft zu werden. Über Fußnoten, die einen Bezug zum aktuellen Gefängnissystems und dessen Ungerechtigkeiten, haben, gelingt es dem Autor, seiner Geschichte eine eigene Realität zu verleihen.

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Lavie Tidhar: Maror

Lesetipp von Nicole Christiansen - 15.06.2024

Aus dem Englischen von Conny Lösch
Roman, Suhrkamp Verlag, 22,00 €

Vorsicht Triggerwarnung! Aufregend und verstörend schreibt Lavie Tidhar, 1976 in Israel geboren, über die dunkle Geschichte seines Landes. Im Zentrum der Geschichte stehen die Jahre 1974 bis 2008. Es dreht sich alles um die Polizisten Cohen und Avi Sagi. Beide lieben ihr Land und pflegen ihre Verbindungen in die organisierte Kriminalität. Cohen hat stets einen Spruch aus der Bibel parat. Avi zieht sich gerne eine Line Kokain. Gnadenlos brutal legen sich die beiden mit jüdischen, arabischen und türkischen Gangstern an, mit der CIA und dem KGB, mit Contras und Kartellen, den militanten Orthodoxen und weiteren Playern.
Im Kapitel „Take the nineties“ besucht Avi ein Musikfestival in der Wüste und Jitzchak Rabin wird mit drei Schüssen ermordet. Es ist das Jahr 1995. Rabin „hatte die Armee angeführt, die das Westjordanland, Gaza und die Golanhöhen besetzt hatten. Er war Premier, als die Siedlungen sich bis in die besetzten Gebiete ausbreiteten. Rabin besaß ein Dollar-Konto im Ausland, und es hieß, er sei ein Säufer…. während der Intifada hatte er das Ministerium für Sicherheit geleitet…und gesagt, er wolle Arabern Arme und Beine brechen, was einige Soldaten sehr wörtlich nahmen.“ Und trotzdem wurde Rabin am Ende zu einem der Architekten des Friedensprozess im Nahen Osten; bekam 1994 den Friedensnobelpreis.
Lavie Tidhar macht die Realpolitik Israels zum Stoff seines gewaltigen Thrillers. Es ist das Buch der Stunde! SeinTitel „Maror“ bezieht sich auf die bitteren Kräuter, die auf dem Sederteller liegen, wenn sich die Juden an die Flucht aus Ägypten erinnern. Tidhar zieht seine Leser in die bittere Geschichte hinein, auf die der Staat Israel aufgebaut ist. (Exodus, 12:8) Der Autor lebt seit 2013 in London, wo er bereits am zweiten Teil der Geschichte arbeitet. In Israel werden seine Thriller nicht erscheinen.

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Dirk Reinhardt: No Alternative

Lesetipp von Annette Quest - 12.06.2024

Jugendbuch ab 14 Jahren, Gerstenberg, 12,99 €

In dem dringenden Bedürfnis, endlich etwas zu tun, um die Gesellschaft aufzurütteln, schließt sich Emma der Bewegung "No Alternative" an. Hängt sie zuerst 'nur' in schwindelerregender Höhe ein Banner auf, beteiligt sie sich bald aktiv an der Planung und Durchführung von handfesten Anschlägen. Explosionen im Hafen, eine brennende SUV-Flotte oder ein lahmgelegter Flughafen. Denn Gewalt an Sachen gibt es nicht – oder doch?
Dirk Reinhardt, bekannt für seine spannenden Jugendbücher mit politisch brisanten Themen, wie "Perfect Storm" oder "Train Kids", fordert seine Leser:innen auch in diesem Buch dazu heraus, sich der Thematik voll und ganz zu stellen. Mit den zur Verfügung gestellten Unterrichtsmaterialien bietet sich das Buch auch wunderbar als Schullektüre an.

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Christian Linker: Climate Action

Lesetipp von Annette Quest - 12.06.2024

Jugendbuch ab 12 Jahren, Thienemann, 15,00 €

Erst ist es nur ein Referat, das Pauline mit Sadiq hält. Aber dann lässt sie beide das Thema nicht mehr los. Was tun? Das ist doch jetzt die Frage! Kurz entschlossen 'entlüften' sie die Reifen des SUVs ihres Lehrers. Anschließend wollen sie das Gleiche mit dem SUV der Eltern ihrer neuen Klassenkameradin Victoria tun. Und werden von dieser erwischt! Doch zu ihrem großen Erstaunen holt diese eine Nagelschere hervor und sticht selbst ein Loch in den Reifen! Denn sie findet es schrecklich, dass ihre Eltern Inhaber einer Fastfashionkette sind...
Raffiniert, dass jemand anderes die Geschichte in einem Tagebuch liest, das ihm zugesteckt wurde. Und dass die Handlung ab seiner Begegnung mit den Protagonisten interaktiv weitergeht. Direkter kann man als Lesende/r wirklich nicht dazu herausgefordert werden, sich selbst zu positionieren!

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Arndís Thórarinsdóttir & Hulda Sigrún Bjarnadóttir: 12 Stockwerke. Mein unglaubliches Zuhause am Ende der Welt

Lesetipp von Sybille Kramer - 11.06.2024

Gisa Marehn
Kinderbuch ab 10 Jahren, Arena, 16,00 €

Eigentlich lese ich ja eher selten Kinder- und Jugendbücher. Bei diesem Buch bin ich über den ungewöhnlichen Titel gestolpert und nach der Lektüre des Klappentextes musste ich eine Ausnahme machen...
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die zwölfjährige Dagny, die mit ihren Eltern, dem großen Bruder und Hund Zorro in einer Stadt in Island lebt. Als die Sommerferien fast zu Ende sind, entscheiden die Eltern, dass die gesamte Familie plus Hund zur Oma auf eine kleine Insel fahren. Hört sich erstmal normal an. Aber Dagny hat ihre "Oma Insel" noch nie kennengelernt. Ihr Vater hat irgendwann die Insel, auf der er aufgewachsen ist, verlassen und ist nie wieder zurückgekehrt. Jetzt ist die Oma nach einem Beckenbruch auf Hilfe angewiesen und das Mädchen freut sich, endlich ihre Oma kennenzulernen. Also wird gepackt und nach einer Fahrt mit der Fähre ist die wirklich kleine Insel erreicht. Es gibt viele Felsen, ein paar Hügel und in der Mitte ein zwölfstöckiges Hochhaus, in dem alle der etwa zweihundert InselbewohnerInnen leben. 
Unsere Protagonistin versucht gleich Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, die sie bei der Ankunft trifft. Doch die sind etwas seltsam und irgendetwas stimmt auf der Insel ganz und gar nicht. Oma Insel, die im Hochhaus die Hausmeisterin ist, weiß nichts von dem Besuch, der plötzlich vor ihrer Wohnungstür steht und begeistert ist sie auch nicht davon. Das hat sich Dagny anders vorgestellt. Als sie und ihr Bruder Ingo auch noch feststellen, dass es auf der Insel kein Internet gibt, sagen sie ihren Eltern, dass sie mit der nächsten Fähre wieder nach Hause wollen. Jetzt müssen die Eltern langsam mit der Sprache herausrücken. Es war von ihnen die ganze Zeit geplant, länger auf der Insel zu bleiben, weil es so einige Probleme in der Stadt gibt. Und die nächste Fähre kommt tatsächlich erst im nächsten Jahr im Mai ... Jetzt müssen sich die Neu-Insulaner an die Gepflogenheiten im Hochhaus anpassen, ihre Arbeitskraft einbringen und sogar zur Stromerzeugung beitragen. 
Dagny erzählt uns aus ihrer Sicht, wie sie mit der neuen Situation klarkommt, was sie für Freundschaften schließt und was sie Spannendes im Hochhaus und auf der Insel erlebt. Am Ende hat sie einige Abenteuer überstanden und eine richtig tolle Oma. Die Geschichte ist super zum Vorlesen und macht der ganzen Familie Spaß, weil sie so schön schräg ist. Und es gibt natürlich ein Happy End; vielleicht sogar für dieses Buch, das beim Deutschen Jugendliteratur Preis 2024 in der Kategorie Kinderbuch nominiert ist.
Für alle von 11 bis 99, die auch Marc-Uwe Klings Kinderbücher mögen.

Illustriert von Felicitas Horstschäfer

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