Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Ben Shattuck: Die Geschichte des Klangs

Lesetipp von Nicole Christiansen - 30.07.2025

Aus dem Englischen von Dirk van Gusteren
Roman, Hanser, 20,00 €

Lionel ist inzwischen 85 Jahre alt und erinnert sich an sein Leben vor allem in Bildern. Es ist die Geschichte mit David, die ihm bis heute den Schlaf raubt.

Das erste Mal begegnet er David mit 17 Jahren in einer Studentenkneipe in Boston. Es ist das Jahr 1916. David saß am Klavier und spielte das Lied „A Dead Winters Night“, als sich Lionel zu ihm gesellte und sang. Seitdem Lionel als kleiner Junge den Ton benennen konnte, den seine Mutter jeden Morgen hustete, war klar: Er hatte das absolute Gehör. Sie verbrachten die Nächte zusammen und trafen sich regelmäßig. Ein halbes Jahr später ging David nach Europa. Es ist das Jahr 1917 und Amerika war in den Krieg eingetreten. Lionel vermisste den Freund, den er liebte, sehr.

Im Juni 1919 erhält er überraschend einen Brief von ihm, indem David ihn bittet, mit ihm für ein Forschungsprojekt der Universität durch die Wälder von Maine zu streifen. Die Idee dahinter war, unter den hiesigen Farmern Folksongs zu sammeln, um deren alte Balladen und Melodien aufzunehmen und aufzuschreiben. Zu diesem Zweck schleppten sie schwere Wachswalzen mit sich, die sie auf einen Rotator steckten. Die Farmer sangen ihre Songs in einen Trichter, während die Nadel an der Walze lag und sie diese kurbelten. Von Anfang August bis Ende September legten die Beiden Hunderte von Kilometern mit dem Phonographen zurück, schliefen Nachts unter Kiefern, holten sich blutige Mückenstiche und Blasen an den Fersen.

Wie diese zarte, unfassbar schöne Geschichte weitergeht, soll hier nicht verraten werden. Ben Shattuk (und sein Übersetzer) finden eine Klarheit in ihrer Ausdrucksweise, die uns Leser:innen nicht nur von der einen Liebe träumen lässt. Nein! Am Ende weiß man es: Es gibt die „eigentliche Liebe“, die ein Leben lang nachklingt.

Mein Lieblingsbuch im August

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Cristina Campos: Verheiratete Frauen

Lesetipp von Britta Hansen - 24.07.2025

Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen
Roman, Fischer, 24,00 €

Der Roman beginnt mit einem Betrug. Zwei Menschen, die sich lieben und begehren — eine Affäre, die schon fast ein Jahr läuft. Gabriela ist seit zwanzig Jahren mit Germán verheiratet, der gemeinsame Sohn hat lange auf sich warten lassen, und ist deshalb noch klein. Sie ist Journalistin, schreibt beliebte Kolumnen für ein Frauenmagazin, ihr Leben ist ein langer ruhiger Fluss, und das ist etwas, das Gabriela mit Mitte vierzig nicht akzeptieren möchte.

Und so kommt Pablo ins Spiel, der erfolgreiche Schriftsteller, den Gabi schon lange bewundert, bis sie sich eines Tages ineinander verlieben. Fortan besucht sie ihn immer donnerstags in seiner Dachwohnung, wirft ihr schlechtes Gewissen für ein paar Stunden über Bord, und gibt sich diesem respektvollen, sinnlichen Liebhaber hin. Doch wie lange kann Gabriela ihrem Ehemann diesen Betrug verheimlichen, und was passiert, wenn sie sich gegen ihn entscheidet?

Halt findet Gabriela bei ihren besten Freundinnen Silvia und Cósima, die sie schon ihr halbes Leben begleiten. Aber auch Silvia ist nicht glücklich in ihrer Ehe, sie kämpft als Hausfrau und Mutter um ihre künstlerische Unabhängigkeit – ihr Mann hat dafür nur wenig Verständnis. Und Cósima, die Modedesignerin aus adligem Hause, muss schon kurz nach der Hochzeit feststellen, dass ihr Mann sie weder körperlich begehrt noch an einem gemeinsamen Leben interessiert ist.

Ein überraschend vielschichtiger Roman dessen Handlung mehr als zwanzig Jahre umspannt. Wir begleiten drei moderne spanische Frauen in Barcelona, die in der Mitte ihres Lebens alle Entscheidungen, die sie einmal getroffen haben, auf den Prüfstand stellen. Die Fragen zu Themen wie Treue und Verrat, Liebe, Lust und Loslassen, Kinder und Beruf sind schon oft gestellt worden, aber die Autorin gibt uns tiefe Einblicke in die Gedankenwelt ihrer Figuren, sodass mich die Antworten, die hier diskutiert werden, sehr berührt und nachdenklich gemacht haben. Christina Cambos erzählt eindringlich und mit einem feinen Gespür für emotionale Zwischentöne. Ihr geht es nie um Schuldzuweisungen, sondern sie lotet aus, wie die Balance zwischen Selbstverwirklichung und Respekt den geliebten Partnern gegenüber gelebt werden kann. „Verheiratete Frauen“ – anspruchsvolle Unterhaltung, lebensbejahend und ernsthaft zugleich.

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Tamar Noort: Der Schlaf der Anderen

Lesetipp von Sybille Kramer - 22.07.2025

Roman, Rowohlt Kindler, 24,00 €

Die Autorin Tamar Noort, die in der Nähe von Lüneburg lebt, erzählt uns die Geschichte von Janis und Sina. Beide Frauen sind Mitte vierzig, doch ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Sina als Lehrerin arbeitet und zu Hause alles zusammenhält und organisieren muss, ist Janis nachts für ihre PatientInnen im Schlaflabor zuständig. Dort hat Sina einen Termin bekommen, weil sie nur noch mit Tabletten in den Schlaf findet. Als ihre Hausärztin in Rente geht, stellt ihr der neue Hausarzt kein neues Rezept aus, sondern die Diagnose: Tablettensucht.

Janis ist nun in dieser Nacht für Sina zuständig, verkabelt sie und muss versuchen, wach zu bleiben, um Sinas Schlafphasen über einen Monitor zu beaufsichtigen. Sie hat sich für diesen Job entschieden, weil sie ihren langjährigen Beruf als Krankenschwester mit Schichtarbeit, Übermüdung bei gleichzeitig hoher Belastung und Verantwortung nicht mehr ertragen konnte. Jetzt ist sie nachts nur noch für einen Gast, wie sie die PatientInnen nennt, verantwortlich und schläft am Tag. Mit der Folge, dass sie kaum noch normalen Kontakt zu Menschen aufbauen kann und total einsam ist.

Ein Vorfall in dieser Nacht führt dazu, dass sich die beiden Frauen näher kennenlernen und Einblick in das Leben der anderen erhalten, Sina aber vorerst wieder auf Distanz geht. Aber etwas ist im Leben der beiden Frauen in Bewegung geraten. Was dann folgt, ist der Beginn einer Freundschaft, ein Ausbrechen aus alten Mustern. Und ein bisschen Road-Movie ist auch noch dabei.

In diesem leichtfüßigen und klugen Roman spricht Tamar Noort verschiedene Themen an wie Überforderung, Care-Arbeit, Freundschaft und die Möglichkeiten, unser Leben zu verändern. Meine absolute Empfehlung für den August!

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Maja Nielsen: Das falsche Leben

Lesetipp von Annette Quest - 21.07.2025

Empfohlen ab 14 Jahren, Gerstenberg, 15,00 €

Maja Nielsen, bekannt durch ihre Hör- und Sachbuchreihe 'Abenteuer! Maja Nielsen erzählt' und den spannenden Tatsachenroman 'Die Tunnelbauer', der mit dem 'Buxtehuder Bullen' ausgezeichnet wurde, lässt in ihrem neuen Buch wieder ein Stück DDR-Geschichte lebendig werden. Aber diesmal geht es nicht um eine Flucht von Ost nach West, sondern umgekehrt: Es ist der Jahrhundertwinter 1979. Armin Raufeisen, einer von vielen DDR-Spionen, ist aufgeflogen und muss nun mit samt seiner Familie und seiner ganzen aufgebauten Existenz von der Bildfläche verschwinden. Für seinen Sohn Thomas beginnt ein neues Leben in der bedrückenden Atmosphäre eines Überwachungsstaats. Ein Albtraum ohne Erwachen.

Gleichermaßen eindrucksvoll wie lehrreich!

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Axel Scheffler, Alison Green: Willkommen. Ein Buch über Freundschaft

Lesetipp von Nicole Christiansen - 20.07.2025

Aus dem Englischen von Adélie Scheffler und Axel Scheffler
Kinderbuch ab 5 Jahren, Beltz & Gelberg, 15,00 €

Hallo! Das Eichhörnchen öffnet dem kleinen oder großen Betrachter:in auf der ersten Seite die Tür. In diesem Buch wir jeder und jede willkommen geheißen. Egal wie Du bist und was du kannst, egal was Du gerne isst oder anziehst, egal wie Du sprichst oder ob Du ganz anders bist als ich.

Hier erklären uns die Tiere, die in typischer Axel Scheffler Manier herzallerliebst gezeichnet sind, wie Freundschaft funktioniert! Natürlich gibt es auch unter den Tieren mal Streit, doch sie kennen und nutzen das Wort „Entschuldigung!“ Sie helfen sich und trösten sich, loben und gratulieren, sind hilfsbereit und…. Einfach richtig gute Freunde!

Mit dem Kauf dieses entzückenden Bilderbuchs unterstützt ihr außerdem „Three Peas“! Eine Gruppe von Freundinnen aus sechs verschiedenen Ländern wollen mit ihrer Organisation Geflüchteten in Europa helfen.

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Benjamin Myers: Strandgut

Lesetipp von Sigrid Lemke - 24.06.2025

Roman, DuMont, 24,00 €

Bucky, ein alter Mann, lebt in einer amerikanischen Kleinstadt, kämpft mit seinen Krankheiten und wartet eigentlich nur auf den Tod. Nachdem seine Frau gestorben ist, hat er jedes Interesse am Leben verloren und kümmert sich eigentlich nur noch für die Beschaffung von Schmerztabletten.

Eines Tages erhält er eine Einladung nach Scarbarough an der britische Küste: Bucky soll auf einem Soulfestival auftreten. Er hat schon fast vergessen, dass er als junger Mann gesungen hat und mit dem Song „Until the Wheels Fall Off“ einen Welterfolg hatte, an dem finanziell allerdings nicht beteiligt war. Nun also diese Einladung, er soll eine richtige Gage bekommen und die ganze Reise wird bezahlt. Trotz aller Ängste sagt Bucky zu.

In Scarborough angekommen, wird er von Dinah abgeholt, die sich an diesem Wochenende um ihn kümmern wird. Dinah ist soulbegeistert und Bucky ist ihr Idol. Ihr Alltag mit Job, ständig betrunkenem Mann und faulem Sohn ist grässlich. Das bevorstehende Wochenende ist für sie ein Hauptgewinn.

Diese beiden Menschen mit all ihren Verletzungen und Enttäuschungen treffen nun aufeinander und stärken sich gegenseitig: Dinahs Begeisterungsfähigkeit steckt Bucky an – und seine Fähigkeit neu anzufangen, zeigt Dinah einen neuen Weg.

The Guardian schreibt: „Ein Buch voller Zuneigung, das Freude an seinen Hauptfiguren hat.“ Dem ist nichts hinzufügen.

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Hans-Peter de Lorent: Goebbels´ Schatten
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Nora Hoch: Das beste Versteck des Sommers (und jede Menge Himbeereis)
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Tom Percival: Der Junge in den falschen Schuhen
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Clemens J. Setz: Mopsfisch
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Christian Schünemann: Bis die Sonne scheint
von Nicole Christiansen, 28.05.2025

Dacia Maraini: Ein halber Löffel Reis
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Sophie Hunger: Walzer für Niemand
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Varsha Shah: Ajay und die Tintenhelden
von Annette Quest, 21.05.2025

Maya C. Klinger: Wie ein Foto unser Leben rettete
von Nicole Christiansen, 20.05.2025

Neal Shusterman, Michelle Knowlden, Debra Young: Break to You
von Annette Quest, 19.05.2025

Susanne Gregor: Halbe Leben
von Eva Lorenzen, 29.04.2025

Martin Suter: Wut und Liebe
von Sybille Kramer, 29.04.2025

Annett Gröschner: Schwebende Lasten
von Nicole Christiansen, 28.04.2025

Anna Hope: Wo wir uns treffen
von Målin Kruse, 28.04.2025

Robert Harris: Abgrund
von Sönke Christiansen, 23.04.2025

Kjersti Annesdatter Skomsvold: Lisa mit einem Herz drum rum
von Nicole Christiansen, 19.04.2025

Annika Scheffel: Wanda
von Annette Quest, 18.04.2025

Kristine Bilkau: Halbinsel
von Sigrid Lemke, 31.03.2025

Elizabeth Heichelbech: Chopin in Kentucky
von Sybille Kramer, 26.03.2025

Susann Pásztor: Von hier aus weiter
von Susanne Sießegger, 25.03.2025

Sigrid Zeevaert: Nuria
von Annette Quest, 13.03.2025

Katherine Rundell: Impossible Creatures - Das Geheimnis der unglaublichen Wesen
von Annette Quest, 13.03.2025

Mehrnousch Zaeri-Esfahani & Frauke Angel: Ein Liekesch für Jascha
von Andreas Mahr, 13.03.2025

Leon de Winter: Stadt der Hunde
von Sybille Kramer, 28.02.2025

Liz Moore: Der Gott des Waldes
von Sönke Christiansen, 23.02.2025

Hannah Gold: Schildkrötenmond
von Annette Quest, 16.02.2025

Carlo Cassolla: Ins Holz gehen
von Nicole Christiansen, 13.02.2025

Anne Frank: Füller-Kinder
von Andreas Mahr, 06.01.2025

K. J. Reilly: Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
von Andreas Mahr, 06.01.2025

Richard Osman: Wir finden Mörder
von Susanne Sießegger, 05.01.2025

James Kestrel: Bis in alle Endlichkeit
von Andreas Mahr, 18.11.2024

Paul Lynch: Das Lied des Propheten
von Andreas Mahr, 18.11.2024

Arezu Weitholz: Hotel Paraíso
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

Yuval Noah Harari: Nexus
von Sönke Christiansen, 18.11.2024

Katja Lange-Müller: Unser Ole
von Susanne Sießegger, 18.11.2024

Viktoria Lloyd-Barlow: All die kleinen Vogelherzen
von Susanne Sießegger, 18.11.2024

Andreas Heidtmann: Bei den Minderen Brüdern
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

Hrsg.: Wolfgang M. Schmitt, Ann-Kristin Tlusty: Selbst schuld!
von Målin Kruse, 18.11.2024

Martina Hefter: Hey guten Morgen, wie geht es dir?
von Annette Quest, 18.11.2024

Doris Wirth: Findet mich
von Annette Quest, 18.11.2024

Rasha Khayat: Ich komme nicht zurück
von Målin Kruse, 18.11.2024

Ulrike Edschmid: Die letzte Patientin
von Sigrid Lemke, 18.11.2024

Tanja Bogusz: Das Mädchen mit dem Heiermann - Großwerden auf St. Pauli
von Eva Lorenzen, 18.11.2024

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