Lesetipp von Lisa Kurth - 20.04.2017
Werner Löcher-Lawrence und Katrin Behringer
Roman, Piper, 25,00 €
Nathan Hill – Geister
Dieses Buch hat einfach alles! Eine geheimnissvolle Familiengeschichte, vielschichtige Charaktere, Zeitkritik, Einblicke in spezielle Milieus und tolle Dialoge!
Samuel, ein junger Collegedozent, bekommt einen seltsamen Anruf von einem Anwalt: Seine Mutter hat einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten angegriffen und braucht nun dringend seine Unterstützung in Form eines Leumundbriefes. Nur hat Samuel seine Mutter nicht gesehen, seit er ein Kind war und sie ihn und seinen Vater plötzlich verlassen hat. Erst will er sich gar nicht darauf einlassen. Doch natürlich beschäftigt ihn die Frage, warum seine Mutter wegging. Außerdem erfährt er, dass sie 1968 in Chicago auf dem College war, Kontakt zur Friedensbewegung hatte und verhaftet wurde. Und weil er seinem Verleger dringend einen Roman liefern muss, wenn er nicht den schon verprassten Vorschuss zurückgeben will, beginnt er zu recherchieren.
Hilfe bekommt er von einer Internetbekanntschaft, einem einsamen spielsüchtigen Mann, mit dem er ein Onlinespiel á la World of Warcraft spielt. Und nebenbei hält ihn eine betrügerische Studentin auf Trab, die um jeden Preis verhindern will, dass er sie durchfallen lässt.
Das College gestern und heute, die 68er Bewegung, die Parallelwelt der Onlinespiele, der alltägliche Wahnsinn in den USA und eine amerikanische Familiengeschichte voller norwegischer Geister – das alles flüssig und unterhaltsam geschrieben – ergeben einen rundherum tollen Roman!
Lesetipp von Dilek Arslanlar - 19.03.2017
Bernhard Robben
Roman, Diogenes , 22,00 €
„Nussschale" heißt der 2016 erschienene Roman von Ian McEwan, und er erzählt eine klassische Dreieckskonstellation– allerdings aus einer sehr ungewöhnlichen Erzählperspektive: aus dem Mutterbauch heraus. Eine Frau betrügt ihren Mann mit dessen Bruder und schmiedet ein Mordkomplott. Der einzige Zeuge ist das ungeborene Kind, das McEwan mit höchst unkindlichen Eigenschaften ausstattet. Mit scharfem Verstand, einem feinen Gespür für die Absurditäten des Lebens und dem Pessimismus eines weltenmüden Zynikers. Hellsichtig und wortgewaltig kommentiert der Embryo, was sich außerhalb, und mit Humor, was sich innerhalb seiner Nussschale ereignet, wie den durch die Plazenta dekantierten Burgunder.
McEwan hat zu Shakespeares 400-jährigem Geburtstag eine abgedrehte Variante des „Hamlet" erschaffen. Doch anders als der dänische Prinz, der sich nicht entscheiden mag, seine Rachegedanken in die Tat umzusetzen, ist McEwans ungeborener Held kein Zauderer: Ihn hindern allein die anderen Umstände, in denen sich seine Mutter befindet. Oder kann er sich über diese Grenze hinwegsetzen? Können oder Nichtkönnen, das ist hier die Frage. Ob es Klein-Hamlet nicht doch gelingt, aus dem Mutterleib auszubrechen und seinen Vater zu rächen?
Lesetipp von Ingrid Fiedler - 18.03.2017
Roman, Rowohlt Berlin, 19,95 €
Die Journalistin und Schriftstellerin Lena Gorelik wurde 1981 in St. Petersburg geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Mit ihrem ersten Roman, „Meine weißen Nächte", wurde sie 2004 als Entdeckung gefeiert. Für ihren Roman „Hochzeit in Jerusalem" war 2007 für den Deutschen Buchpreis nominiert.
In ihrem neuen Roman „Mehr Schwarz als Lila" geht es um die siebzehnjährige Alex, die lieber Schwarz trägt als Lila. Ihre Mutter starb, als sie acht Jahre alt war. Damals schenkte ihr der Vater, der als ziemlich schweigsam beschrieben wird, einen Papagei. Alex' beste Freunde sind Nina, die sich „Ratte" nennt, und Paul, der am liebsten Seneca liest. Diese drei sind ein festes Gespann und machen fast alles gemeinsam. Gerne machen sie Spiele, z. B. „Du wirst dich trauen" oder „Stell dir mal vor" und „Wahnwitzige Wortspiele".
Am Anfang des Romans ist Alex seit mehr als sechs Tagen nicht mehr aus dem Haus gegangen. „Ratte" redet nicht mehr mit ihr und Paul ist verschwunden. Nichts ist mehr wie vorher. Die Spiele haben plötzlich ein Ende und Alex muss sich Gedanken machen, was in den Wochen vorher passiert ist. Damals ist ein neuer Referendar in die Klasse gekommen und Alex verliebt sich in ihn. „Ratte" lässt sich mit einer Mitschülerin ein und hat dadurch für die anderen weniger Zeit. Auf einer Klassenreise nach Polen kommt es zu einer unschönen Situation zwischen Alex und Paul. Außerdem macht ihr der Referendar klar, dass sie nur seine Schülerin ist. Das Spiel ist aus und Alex muss sich ihren Gefühlen stellen. Der Papagei entfliegt, Paul ist weg und „Ratte" spricht nicht mehr mit ihr. Lena Gorelik fügt der Handlung Songtexte ein, die Alex' Gedanken und Gefühle widerspiegeln.
Es ist ein Roman, der von Freundschaft, Liebe und Erwachsenwerden erzählt. Er ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen gut zu lesen.
Lesetipp von Sönke Christiansen - 04.03.2017
Dirk van Gunsteren
Roman, Hanser, 26,00 €
T. C. Boyle bezieht sich in seinem neuen Roman "Die Terranauten" auf ein reales Experiment, welches Anfang der 90er Jahre unter dem Namen "Biosphäre 2" in den USA stattfand. In einer hermetisch abgeriegelten Glaskuppel haben sich 8 Menschen einschließen lassen, um das Überleben der Menscheit in einer lebensfeindlichen Umgebung zu simulieren. Boyle erzählt hier den fiktiven zweiten Versuch dieses Experiments - das erste und echte Experiment war durch wiederholtes Öffnen der Luftschleuse gescheitert. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von drei Personen. Zwei davon, Ramsey und Dawn, haben es in die Auswahl der acht Teilnehmer (vier Frauen, vier Männer) des Experiments geschafft. Linda dagegen musste draußen bleiben.
Was diesen Roman so lesenswert macht - man ahnt es schon auf den ersten Seiten -, ist die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an jeden einzelnen der ausgewählten Teilnehmer, nämlich absolutes wissenschaftliches Funkionieren unter schwierigsten Bedingungen (wenig Essen, wenig Saustoff, harte Arbeit, ständige Überwachung, kaum Rückzugsmöglichkeiten), und dem menschlichen Faktor, der beim einem so engen Zusammenleben von acht Individuen auf engsten Raum unausweichlich zu Spannungen führt. Boyle versteht es dabei hervorragend, sich in jeden einzelnen seiner drei Erzähler zu versetzen. Besonders amüsant fand ich die Passagen, wo er die frustrierte zynische Linda - sie hat es nicht in die Kuppel geschafft - ihre Gefühlswelten erzählen lässt. Das Experiment läuft trotz aller menschlichen Schwächen recht gut, bis eine Teilnehmerin schwanger wird und damit das ganze Experiment auf der Kippe steht...
Boyle-Fans werden dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite lieben, für alle anderen hätten für dieses Buch auch 400 statt 600 Seiten ausgereicht.
Lesetipp von Sigrid Lemke - 01.03.2017
Susanne Höbel
Roman, Piper, 22,00 €
„Was ich liebe: Wie wir damals waren und wie wir hätten werden können", so schreibt Ingrid in einem ihrer Briefe.
Vor langer Zeit war Ingrid Literaturstudentin, hatte alle Möglichkeiten, wollte reisen und vielleicht Schriftstellerin werden. Doch dann verliebt sie sich in ihren Professor, bekommt ein Kind und zieht mit ihm aufs Land. Ihr Mann, Gil, ist Schriftsteller, er ist bekannt, viel unterwegs, und er betrügt sie.
Da sie ihm trotzdem erzählen will, was sie beschäftigt, schreibt sie ihm Briefe. Briefe, die sie nie abschickt, ihm auch nicht gibt, sondern in der Bibliothek in Büchern versteckt. Eines Tages schreibt sie ihren letzten Brief und verschwindet.
Nach zwölf Jahren glaubt Gil, dass er sie in der Stadt gesehen habe und erzählt es den Töchtern. Die jüngere Tochter Flora beginnt Fragen zu stellen und versucht, die Familiengeheimnisse zu ergründen.
„Eine englische Ehe" ist wirklich ein sehr englischer Roman, mit skurrilem Personal und ganz viel Atmosphäre.
Lesetipp von Michael Keune - 21.02.2017
Roman, C.H.Beck, 19,95 €
Es handelt sich um eine wahre Begebenheit, die Seigle in seinem neuen Roman erzählt. Die junge Pauline, die während der deutschen Besatzung Frankreichs die Geliebte eines deutschen Militärarztes ist, leidet nach der Befreiung sehr darunter, von Männern missachtet zu werden.
Ihre große Liebe Félix, der von ihrer Vergangenheit erfährt und sie deshalb abweist, tötet sie im Affekt. Somit wird sie 1950 in Paris zum Tode verurteilt, was später in lebenslänglich umgewandelt wird. Aus dem Gefängnis entlassen, flieht sie nach Marokko, um unter anderem Namen ein neues Leben zu beginnen. Der Grund dafür ist unter anderem der Regisseur Clouzot, der, von diesem Kriminalfall inspiriert, den Film „Die Wahrheit" mit der jungen Brigitte Bardot dreht. Für Pauline eine starke Konfrontation, um mit der Vergangenheit abschließen zu können.
In Marokko gibt es einen neuen Mann, mit dem sie sich verbindet und dem sie ihre Erinnerungen hinterläßt. In diesen Erinnerungen erfährt der Leser die Lebensgeschichte dieser klugen und schönen Frau, die sehr oft gegen familiäre Mächte, auch in der Gesellschaft, antreten mußte. Ein Buch, das einen sehr berührt.
Nathan Hill: Geister
von Lisa Kurth,
20.04.2017
Ian McEwan: Nussschale
von Dilek Arslanlar,
19.03.2017
Lena Gorelik: Mehr schwarz als lila
von Ingrid Fiedler,
18.03.2017
T. C. Boyle: Die Terranauten
von Sönke Christiansen,
04.03.2017
Claire Fuller: Eine englische Ehe
von Sigrid Lemke,
01.03.2017
Jean-Luc Seigle: Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
von Michael Keune,
21.02.2017
Jesper Juul: Liebende bleiben
von Lisa Kurth,
13.02.2017
Jonas Lüscher: Kraft
von Nicole Christiansen,
01.02.2017
Noemi Schneider: Das wissen wir schon
von Lisa Kurth,
01.02.2017
Anna Gavalda: Ab morgen wird alles anders
von Ingrid Fiedler,
01.02.2017
Barbara Beuys: Paula Modersohn-Becker Oder: Wenn die Kunst das Leben ist
von Dilek Arslanlar,
25.01.2017
Tana French: Gefrorener Schrei
von Sigrid Lemke,
05.01.2017
Dmitrij Kapitelman: Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters
von Michael Keune,
29.12.2016
David van Reybrouck: Gegen Wahlen. Warum Abstimmen nicht demokratisch ist.
von Lisa Kurth,
07.12.2016
Oliver Scherz: Wenn der geheime Park erwacht, nehmt euch vor Schabalu in Acht
von Andreas Mahr,
01.12.2016
Jocelyne Saucier: Ein Leben mehr
von Sönke Christiansen,
23.11.2016
Cynthia D' Aprix Sweeney: Das Nest
von Susanne Sießegger,
17.11.2016
Celeste Ng: Was ich euch nicht erzählte
von Ingrid Fiedler,
26.10.2016
Matthias Brandt: Raumpatrouille
von Michael Keune,
21.10.2016
Boris Schumatsky: Die Trotzigen
von Lisa Kurth,
15.10.2016
Sylvie Schenk: Schnell, dein Leben
von Dilek Arslanlar,
01.10.2016
Horst Eckert: Wolfsspinne
von Sigrid Lemke,
28.09.2016
Connie Palmen: Du sagst es
von Nicole Christiansen,
22.09.2016
Steven Herrick: Wir beide wussten, es war was passiert
von Andreas Mahr,
29.08.2016
Barbara Beuys: Helene Schjerfbeck. Die Malerin aus Finnland
von Ingrid Fiedler,
27.08.2016
Bret Anthony Johnston : Justins Heimkehr
von Michael Keune,
18.08.2016
Jenny Han: To all the boys I' ve loved before
von Susanne Sießegger,
28.07.2016
Paula Fürstenberg: Familie der geflügelten Tiger
von Lisa Kurth,
26.07.2016
Judith Hermann: Lettipark
von Dilek Arslanlar,
16.07.2016
Gina Bucher: Ich trug ein grünes Kleid, der Rest war Schicksal. Geschichten von der Liebe
von Nicole Christiansen,
29.06.2016
Henrik Takeda: Inspektor Takeda und die Toten von Altona
von Sigrid Lemke,
29.06.2016
Jean-Philippe Blondel: This is not a love song
von Ingrid Fiedler,
29.06.2016
André Heller: Das Buch vom Süden
von Michael Keune,
28.05.2016
Gernot Gricksch: Ghetto Bitch
von Andreas Mahr,
28.05.2016
David Graeber: Bürokratie
von Lisa Kurth,
28.05.2016
Boris Meyn: Elbtöter
von Sigrid Lemke,
28.04.2016
Juli Zeh: Unterleuten
von Antje Höft,
28.04.2016
Claudia Schreiber: Solo für Clara
von Susanne Sießegger,
27.04.2016
Isabel Bogdan: Der Pfau
von Nicole Christiansen,
23.03.2016
Andreas Pflüger: Endgültig
von Andreas Mahr,
22.03.2016
Tom Cooper: Das zerstörte Leben des Wes Trench
von Sönke Christiansen,
21.03.2016
Karen Duve: Macht
von Lisa Kurth,
25.02.2016
David Grossmann: Kommt ein Pferd in die Bar
von Michael Keune,
23.02.2016
Anne Gesthuysen: Sei mir ein Vater
von Ingrid Fiedler,
22.02.2016
Chelsey Philpot: Ein anderes Paradies
von Susanne Sießegger,
28.01.2016
Sven Stricker: Sörensen hat Angst
von Sigrid Lemke,
27.01.2016
Navid Kermani: Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa
von Antje Höft,
27.01.2016
Junius: Mit ganz viel Hamburg durch das Jahr
von Nicole Christiansen,
29.12.2015
Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen
von Nicole Christiansen,
28.12.2015
John Niven: Old School
von Andreas Mahr,
27.12.2015
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