Die letzten Empfehlungen aus dem Team

Saša Stanišić: Wolf

Lesetipp von Annette Quest - 04.06.2023

Kinderbuch ab 11 Jahren, Carlsen, 14,00 €

Natur? Nein danke! Für Kemi ist Natur nichts als Dreck, Splitter, Mücken und Zecken. Wie kommt seine Mutter nur auf die absurde Idee, ihn bei einem Waldcamp anzumelden?! Noch dazu, wo ein Großteil seiner unliebsamen Schulkameraden daran teilnimmt! Aber seine Mutter bleibt hart, und die Alternative, Ferienbetreuung in der Schule, wäre noch schlimmer.
Also begleiten wir Kemi zu einer brandenburgischen Waldlichtung und erleben mit, wie sich all seine übelsten Befürchtungen bestätigen. Es ist sehr witzig, wie er seine Null-Bock-Haltung offen vor sich her trägt, sich allen Aktivitäten konsequent verweigert und die durchaus engagierten Betreuer:innen gnadenlos auflaufen lässt!

Aber dann geschieht etwas, mit dem Kemi nicht gerechnet hat: Es lässt ihn nicht kalt, dass sein Mitschüler Jörg gemobbt wird. Zu gern würde er in seiner komfortablen Rolle des Sprüche klopfenden Kommentators bleiben, möchte weg schauen, wie die meisten anderen es tun. Aber das kann er nicht. Und plötzlich gerät alles für ihn ins Wanken. Das ist der Moment, in dem der Wolf in Erscheinung tritt ...
Der vielfach preisgekrönte Autor Saša Stanišić hat eine erfrischend unkonventionelle und berührende Geschichte über das Anderssein geschrieben und darüber, wie jemand andersig gemacht wird. Er ruft dazu auf – Kinder und Erwachsene gleichermaßen – hinzusehen und sich unbedingt einzumischen!

Buch im Online-Shop

Meron Mendel: Über Israel reden

Lesetipp von Nicole Christiansen - 22.05.2023

Sachbuch, Kiepenheuer & Witsch, 22,00 €

In seiner Jugend suchte der in der Negev-Wüste in Israel aufgewachsene Autor Meron Mendel den Austausch mit palästinensischen Schüler:innen, den das israelische Bildungssystem nicht vorsieht. In einem Dorf namens Neve Schalom in der Nähe von Jerusalem fand er die Ausnahme: eine binationale Schule. Hier lernen die Schüler:innen die „Geschichte des Anderen" kennen, in dem sie einander emathisch zuhören.

In seinem Buch „Über Israel reden" lädt der Historiker und Pädagoge Meron Mendel, der seit 2001 in Deutschland lebt, seine deutsche Leserschaft zu einem spannenden Gedankenaustausch ein. Hochaktuelle Themen verortet er aus deutscher und israelischer
Sicht. Dabei geht er auf Fragen ein, die in der Öffentlichkeit heiß diskutiert werden: Warum ist Israels Sicherheit deutsche Staatsräson? Wie verhält sich die Linke im Nahostkonflikt? Wer solidarisiert sich mit Palästina gegen die israelische Besatzungsmacht? Welche Konsequenzen hat der BDS-Streit am Beispiel des afrikanischen Philosophen Achille Mbembe? Ist Israel Produkt eines europäischen Kolonialismus? Warum wird Kritik an der Erinnerungskultur geübt?
Mendel hat keine schnellen Antworten parat, sondern versucht die deutsche Befindlichkeit in ihrer Argumentationskette analytisch zu entschlüsseln. Als eines von vielen Beispielen wählt er die Reaktion des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung Felix Klein auf die skandalöse Äußerung des palästinensischen Präsidenten Mahmut Abbas während seines Deutschlandbesuchs im Sommer 2022. Dieser behauptete, die Israelis hätten an den Palästinensern nicht einen, sondern gleich „50 Holocausts" verrichtet. Anstatt diese Behauptung als absolut falsch zu kommentieren, beklagte Felix Klein, dass das Verhalten des Präsidenten Abbas „jegliche Sensibilität gegenüber uns deutschen Gastgebern vermissen lasse." Doch darum geht es gar nicht! Die Reaktion des Sprechers der Bundesregierung wird durch Assoziationen gesteuert: „Antisemitismus ist das, was ich gerade fühle." Der Judenhass ist aber kein persönliches Problem, sondern eine objektive Realität, diagnostiziert Mendel.

„Über Israel reden" ist nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2023. Ein wichtiges Buch, das zeigt, wo die Grenze zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus verläuft.

Mehr Rezensionen zu diesem Buch

Buch im Online-Shop

T.C. Boyle: Blue Skies

Lesetipp von Sybille Kramer - 21.05.2023

Aus dem Amerikanischen Englisch von Dirk van Gunsteren
Roman, Hanser, 28,00 €

Meine Buchempfehlung für den Juni kommt diesmal von einem meiner absoluten Lieblingsautoren. Und das ist T. C. Boyle für mich schon seit über 30 Jahren. Unglaublich ...
Nun ist also sein bereits 18. Roman "Blue Skies" erschienen, von den vielen Kurzgeschichten mal ganz abgesehen.
Es ist nicht das erste Mal, dass T. C. Boyle die Ausbeutung der Erde durch den Menschen zum Thema macht. Schon 2000 in "Ein Freund der Erde" ging es um die zu erwartende Klimakatastrophe. Die Geschichte spielte in der Zukunft im Jahr 2025!
Die apokalyptischen Szenarien von damals haben uns leider eingeholt, der Visionär Boyle hat in vielem Recht behalten.
Sein neuer Roman spielt in Kalifornien. Dort leben Ottilie und Frank, beide um die 70 Jahre alt. Die Trockenheit und die Brände haben ihr Leben stark verändert. Die beiden erwachsenen Kinder Cooper und Cat könnten nicht unterschiedlicher sein. Cooper ist schon Naturschützer seit Teenager-Tagen. Nun ist er ein auf Käfer und Schmetterlinge spezialisierter Biologe. In Florida lebt Coopers etwas jüngere Schwester Cat und führt ein Leben im Luxus. Sie bewohnt mit ihrem Freund Todd ein traumhaftes Strandhaus - wären da nicht der steigende Meeresspiegel, der ewige Regen und die fürchterliche Langeweile, die die junge Frau immer wieder überfällt ...
Die Familie wird von einigen harten Schicksalsschlägen gebeutelt, teilweise sind die Ereignisse aber auch der eigenen Dummheit geschuldet. Das ist witzig, das ist böse und beim Lesen manchmal kaum auszuhalten. Also wieder ein echter T. C. Boyle, den ich allen ans Herz legen kann, die keine ausgeprägte Ophidiophobie (Angst vor Schlangen) haben.
Mein Tipp: Am 19. Juni spricht der Autor mit Volker Weidermann in der Universität Hamburg über sein neues Werk. Die deutschen Textpassagen liest die Schauspielerin Eva Maria Nikolaus.

Mehr Rezensionen zu diesem Buch

Buch im Online-Shop

Liv Strömquist: Astrologie

Lesetipp von Anna Puszies - 16.05.2023

Aus dem Schwedischen von Katharina Erben
Graphic Novel, avant, 22,00 €

Was haben Boris Johnson und Donald Trump gemeinsam? - Richtig, sie sind beide im Sternzeichen der Zwillinge geboren. Wie hat es Jane Goodall aushalten können, mehr als zwei Jahrzehnte darauf zu warten, nur 22 Monate als rangunterste Schimpansin akzeptiert zu werden? Genau, sie ist ein klassischer Widder. Das ist aber noch nicht alles: Warum Kim Kardashian nach Schönheit und Liebe strebt, der britische Designer Thomas Thwaites drei Tage mit Prothesen als Bergziege in den Alpen lebte und warum J.R.R. Tolkien und Hilaria Baldwin der Inbegriff des so genannten „sturen" Steinbocks sind, das erklärt Ihnen die schwedische Comic-Zeichnerin Liv Strömquist humorvoll in ihrer neuen Graphic Novel „Liv Strömquists Astrologie".
Sie bedient damit zwar teilweise auch diejenigen, die Spaß am in den letzten Jahren wieder aufkeimenden Feld der Astrologie haben, doch vor allem überzeichnet sie astrologische Deutungen und hinterfragt auch dahinter stehende Mechanismen: Warum beschäftigen wir uns mit den Sternen? Was ziehen wir aus Horoskopen, deren Zuschreibungen oder Ratschlägen? Dazu zieht sie unter anderem Adorno, Freud und den Soziologen Aris Komporozos-Athanasiou heran und zeigt Theorien auf, die Erklärungen für den Hype um die Sterne bieten sollen.
Dazu kommen Liv Strömquists gewohnt direkter Ton und ihr typischer, etwas krakeliger mit Fotos gespickter Zeichenstil, jetzt sogar in Farbe.

Mehr Rezensionen zu diesem Buch

Buch im Online-Shop

Alex Wheatle: Cane Warriors. Niemand ist frei, bis alle frei sind

Lesetipp von Andreas Mahr - 08.05.2023

Aus dem Englischen von Conny Lösch
Jugendroman ab 13 Jahren, Kunstmann, 20,00 €

Alex Wheatle lässt in seinem historischen Jugendroman die Osteraufstände der Sklaven auf Jamaika von 1760 lebendig werden. Moa ist vierzehn Jahre alt und lebt seit seiner Geburt als Sklave auf einer Zuckerrohrplantage. Den ganzen Tag muss er mit den anderen Kindern und Erwachsenen auf den Feldern unter unmenschlichen Bedingungen den Zucker ernten. Als das Osterfest sich nähert, beginnen unter der Führung eines charismatischen Sklaven namens Tacky Aufstände gegen die Unterdrücker. Die Zielsetzung ist klar, entweder werden alle Farmen von der Herrschaft der Weißen befreit oder die Rebellion endet mit dem Tod. Tatsächlich gelingt es den Unterdrückten eine Plantage nach der anderen zu befreien, aber die Übermacht der Kolonialmächte scheint grenzenlos zu sein. Moas sehnlichster Wunsch ist es, ein Teil der Zuckerrohrkrieger zu sein, dafür muss er sich allerdings erst beweisen... .

Alex Wheatle setzt den Sklaven Jamaikas mit diesem Roman ein Denkmal und erläutert am Ende des Buches auch noch einmal die historischen Hintergründe. Ein großartiges Plädoyer für die Freiheit.

Mehr Rezensionen zu diesem Buch

Buch im Online-Shop

Isaac Blum: Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen

Lesetipp von Annette Quest - 08.05.2023

Aus dem Englischen von Gundula Schiffer
Jugendbuch ab 14 Jahren, Beltz und Gelberg, 15,00 €

Eines schon mal vorab: Hoodie, der sympathische Erzähler der Geschichte, hat wirklich Humor! Damit meine ich zum einen, dass er mich mit seiner Art immer wieder zum Lachen gebracht hat, zum anderen aber auch, dass er manchmal mit seinem unorthodoxen Verhalten seine orthodox jüdischen Eltern und Lehrer zur Verzweiflung treibt.
Nun hat er sich auch noch in das nichtjüdische Mädchen Anna-Marie verliebt, für einen streng gläubigen Juden ein absolutes No-Go! Und leider schafft es selbst das gemeinsame Hakenkreuz-Entfernen von jüdischen Grabsteinen nicht, die Gemüter zu besänftigen. Hoodie erhält eine Ausgangssperre, muss sein Handy abgeben und isoliert von seinen Mitschülern Strafaufgaben erledigen. Dabei sieht er sich im Recht! Das Dilemma, in dem er steckt, ist gut nachvollziehbar. Er hadert mit den lebensfremden Vorschriften seiner Religion, fühlt sich ihr aber gleichzeitig verbunden.

Unterdessen zieht der Antisemitismus in der amerikanischen Kleinstadt Tregaron immer extremere Aktionen nach sich. Und die Bürgermeisterin, die zu allem Überfluss Anna-Maries Mutter ist, tut nichts dagegen. All das erzeugt eine Spannung, die sich immer weiter zuspitzt. Wie wird sich Hoodie entscheiden? Oder hat die jüdische Gemeinde schon längst seinen Ausschluss beschlossen?

Ein starkes Debüt des Englisch-Lehrers Isaac Blum über Geborgenheit contra Eingeengtsein, Doppelmoral und Freundschaft.

Mehr Rezensionen zu diesem Buch

Buch im Online-Shop

Mehr Team-Lesetipps

Saša Stanišić: Wolf
von Annette Quest, 04.06.2023

Meron Mendel: Über Israel reden
von Nicole Christiansen, 22.05.2023

T.C. Boyle: Blue Skies
von Sybille Kramer, 21.05.2023

Liv Strömquist: Astrologie
von Anna Puszies, 16.05.2023

Alex Wheatle: Cane Warriors. Niemand ist frei, bis alle frei sind
von Andreas Mahr, 08.05.2023

Isaac Blum: Ruhm und Verbrechen des Hoodie Rosen
von Annette Quest, 08.05.2023

Ulrich Hub: Arschbombe verboten
von Susanne Sießegger, 07.05.2023

Anthony McCarten: Going Zero
von Eva Lorenzen, 27.04.2023

Jasmin Schreiber: Schreibers Naturarium
von Sigrid Lemke, 22.04.2023

Michel Bergmann: Mameleben
von Susanne Sießegger, 21.04.2023

Jean-Christophe Grangé: Die marmornen Träume
von Andreas Mahr, 20.04.2023

Cornelia Franz: Wildesland
von Annette Quest, 10.04.2023

Nora Burgard-Arp: Flauschig Mauschig
von Andreas Mahr, 08.04.2023

Anja Reumschüssel: Über den Dächern von Jerusalem
von Annette Quest, 08.04.2023

Amanda Cross: Letzte Analyse
von Sigrid Lemke, 24.03.2023

Martin Suter: Melody
von Sybille Kramer, 21.03.2023

Ewald Frie: Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben
von Sönke Christiansen, 15.03.2023

Eloy Moreno: Unsichtbar
von Annette Quest, 08.03.2023

Stefanie Taschinski: Tuuli und die geheime Flaschenpost
von Susanne Sießegger, 07.03.2023

R.J. Palacio: White Bird. Wie ein Vogel
von Andreas Mahr, 03.03.2023

Kristina Hauff: In Blaukalter Tiefe
von Nicole Christiansen, 22.02.2023

Mary Beth Keane: Mit dir bis ans Ende der Welt
von Susanne Sießegger, 16.02.2023

Steffen Schroeder: Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor
von Eva Lorenzen, 11.02.2023

Martin Muser: Weil
von Andreas Mahr, 11.02.2023

Michaël Escoffier: Palomino
von Sigrid Lemke, 09.02.2023

Seite: 2 von 23 | Lesetipps 48 bis 72 von 563 | neuer |